Schulpsychologische Hinweise zum Umgang mit Verunsicherungen und Ängsten

Die aktuellen Nachrichten über den Russland-Ukraine-Krieg sind allgegenwärtig und beeinflussen stark unseren Alltag. Dies hat deutliche Auswirkungen auf unser Sicherheitserleben. Viele Schülerinnen und Schüler berichten von Sorgen und Ängsten, es fällt ihnen schwer die Inhalte der Nachrichten einzuordnen und zu verarbeiten. Dies fällt in eine Zeit, in der Schülerinnen und Schüler, aber auch Eltern und Lehrkräfte ohnehin durch die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Veränderungen unseres Alltags verunsichert sind und die Welt möglicherweise insgesamt als einen „unsicheren Ort“ erleben. Gerade Kinder und Jugendliche brauchen Erwachsene, die ihnen Orientierung und Sicherheit im Hier und Jetzt vermitteln und ihnen dabei helfen, die Unsicherheit auszuhalten. Auf den folgenden Seiten möchten wir Ihnen einige Tipps und Hilfestellungen geben, wie Sie als Lehrkraft mit den Verunsicherungen Ihrer Schülerinnen und Schüler umgehen und wo Sie hierbei Unterstützung finden können.

Grundlegende Rahmenbedingungen für Gespräche mit Schülerinnen und Schülern

Bei Schülerinnen und Schülern kann das Bedürfnis entstehen, über die Ereignisse und die erlebten Reaktionen zu sprechen. Ein von der Lehrkraft angeleitetes und begleitetes Gespräch im Klassenverband kann einen geschützten Raum darstellen, in welchem ein angemessener Umgang mit Verunsicherung und Ängsten erfolgt. Es ist empfehlenswert, die Kinder und Jugendlichen mit ihren Empfindungen und Informationen nicht alleine zu lassen, sondern ihnen solche Gesprächsräume anzubieten.

Für die Vorbereitung eines Klassengesprächs ist es empfehlenswert, zunächst die eigene Betroffenheit zu reflektieren. Sollten Sie den Eindruck haben, selbst emotional zu stark betroffen zu sein, prüfen Sie bitte, ob Sie Unterstützung z.B. aus dem Kollegium, der Schulleitung, der Schulsozialarbeit oder der Schulseelsorge erhalten können. Es besteht auch die Möglichkeit, sich für eine Beratung an die zuständige Schulpsychologin bzw. den zuständigen Schulpsychologen zu wenden.

Stimmen Sie zu vermittelnde und altersgerecht differenzierte Inhalte möglichst miteinander im Kollegium ab und informieren Sie besorgte Eltern darüber. Bei Kindern im Grundschulalter sollte zunächst nur auf die Informationen und Fragen eingegangen werden, die die Kinder selbst mit in die Schule bringen. Bei älteren Kindern können auch gezielte Informationen und Nachrichtenformate ausgewählt und vermittelt werden. Grundsätzlich gilt, dass dabei keine Schreckensbilder gezeigt werden sollen.

  1. Schützen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler und auch sich selbst, indem Sie Gespräche so begrenzen, dass Sie einerseits genügend Zeit und Aufmerksamkeit für den Austausch mit Ihren Schülerinnen und Schülern planen, andererseits aber nicht den Anspruch haben, alle Fragen und Sorgen immer vollumfänglich besprechen zu können.
  2. Entscheiden Sie situativ und möglichst gemeinsam mit Ihren Schülerinnen und Schülern, ob und zu welchem Zeitpunkt Sie im Einzelgespräch oder in der Gruppe über die aktuelle Situation sprechen möchten.

Vereinbaren Sie gemeinsam Gesprächsregeln: z.B. „Wer möchte, kann etwas sagen, wer nicht möchte, muss nichts sagen,“ „Wir lassen andere ausreden und hören zu“. Vereinbaren Sie für alle ein STOP-Zeichen, welches jeder nutzen kann, wenn das Gespräch über seine Grenzen hinausgeht – ohne es begründen zu müssen. Diese sind auf jeden Fall bei direkten persönlichen Angriffen und Anschuldigungen sowie bei diskriminierenden, gewaltverherrlichenden, extremistischen und entwürdigenden Aussagen zu ziehen.

Möglicher Verlauf der Gespräche mit Schülerinnen und Schülern

Es kann gerade bei emotional stark aufgeladenen Themen hilfreich sein, sich grob an einer Verlaufsstruktur des Gesprächs zu orientieren. Die im Folgenden vorgeschlagene Struktur ist dahingehend ausgerichtet, sich zunächst einen Überblick über den Informationsstand in der Klasse zu verschaffen und Raum für Fragen zu geben, um sich danach den emotionalen Reaktionen, mit denen die Kinder und Jugendlichen auf die Situation reagieren, zu widmen und schließlich einen Austausch über Möglichkeiten zum Umgang mit den belastenden Ereignissen anzuregen.

  1. Fangen Sie mit der Wahrnehmung des Informationsstands Ihrer Schülerinnen und Schüler an. Sammeln und sortieren Sie zunächst interessiert, ohne zu bewerten. „Welche Informationen habt ihr schon? Aus welchen Quellen?“
  2. Sammeln Sie Fragen Ihrer Schülerinnen und Schüler mit dem Hinweis, dass Sie manche beantworten können, manche aber ggf. nicht. „Wozu möchtet ihr mehr wissen?“ Geben Sie Informationen zu den Fragen, bei denen Sie es sich in Übereinstimmung mit seriösen Quellen zutrauen. Auf manche komplexe Fragen gibt es (noch) keine einfachen Antworten. In die Zukunft gerichtete Fragen, z.B. ob der Krieg sich auch nach Deutschland ausbreiten könnte, können dahingehend beantwortet werden, dass dies aufgrund aktueller Einschätzungen unwahrscheinlich ist. Eröffnen Sie Perspektiven, wie mit den fehlenden Antworten umgegangen werden kann: Sie können gemeinsam überlegen, wie Sie an weitere Informationen gelangen können, oder Sie nehmen die Fragen mit und informieren sich im Nachgang des Gesprächs.

  1. Information: Betonen Sie, dass eine solche für viele von uns neue und bedrohliche Situation bei allen Menschen unterschiedliche Gefühle auslösen kann: beispielsweise Unbehagen, Betroffenheit, Traurigkeit, Wut, Mitleid, Hilflosigkeit und Angst. Aber auch nichts zu verspüren, kann in solchen Situationen völlig normal sein.
  2. Dialog: Fragen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler, ob sie ihre Gedanken und Gefühle zu der Situation und den Nachrichten, die sie ggf. gesehen haben, mit der Klasse teilen wollen (sie können dazu in Einzelarbeit etwas schreiben/malen, sich in Partnerarbeit dazu austauschen). Wer möchte, kann in der Klasse etwas darüber berichten. Lassen Sie alle Gefühle zu, nehmen Sie diese ernst und bagatellisieren Sie unangenehme Gefühle, wie z.B. Ängste, nicht. Sie können ausgehalten und thematisiert werden. Seien Sie dabei den Kindern ein Vorbild.

 

Der Fokus des Austauschs sollte dann darauf ausgerichtet sein, so viele Bewältigungsmöglichkeiten wie möglich in der Klassengemeinschaft zu sammeln. Fragen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler, was ihnen hilft, mit der Situation umzugehen, oder was ihnen sonst hilft, wenn Sie sich in schwierigen Situationen befinden. Dafür eignet sich das BASIC Ph-Modell aus der Stressbewältigung und Resilienzförderung.

Das BASIC Ph-Modell:

  • B (Belief) Sich auf eigene Überzeugungen und Werte verlassen: „Mir hilft es zu beten.“, „Wenn wir alle zusammenhalten, dann schaffen wir es.“
  • A (Affect) Emotionen mitteilen und ausdrücken: z. B. Tagebuch schreiben, Weinen, Tanzen, in ein Kissen schreien. 
  • S (Social) Rückhalt durch Familie und Freunde, Klassengemeinschaft erleben: z. B. Austausch und Zusammensein mit anderen, Hilfsorganisationen kontaktieren, Telefonieren, Solidaritätsbekundungen.
  • I (Imagination) Kreatives Denken und Fantasie: z. B. Gedichte schreiben, Theater, Kunst, Musik.
  • C (Cognition) Informationen und Wissen einholen: z.B. sich hilfreiche realistische Informationen zur aktuellen Lage oder Historie verschaffen, Lernen, Struktur im Alltag geben, mögliche Lösungswege für Konflikte erarbeiten und was Menschen in Stresssituationen hilft.
  • Ph (Physiologie) Sich körperlich betätigen oder sich bewusst entspannen: z. B. Sport, Spiele, Essen gehen, Schlafen, Meditation, Achtsamkeitsübungen.

Sie können gemeinsam überlegen, welche Bewältigungsmechanismen jedem Einzelnen wie auch der gesamten Klasse zur Verfügung stehen. Sammeln Sie die Ideen Ihrer Schülerinnen und Schüler auf Karteikarten o.ä. und hängen diese sichtbar im Raum auf. So sind die Strategien im Umgang mit der Krise für alle sichtbar und präsent, um den vielen verunsichernden Fragen bildlich etwas entgegen zu setzen. Gerade bei jüngeren Kindern lohnt es sich, eine gemeinsame Aktivität anzuleiten, um von der erlebten Hilflosigkeit ins Handeln zu kommen. Bei älteren Kindern kann auch die inhaltliche Beschäftigung mit den politischen und historischen Themen rund um den aktuellen Konflikt und die Situation des Krieges zur aktiven Bewältigung beitragen.

 

Einige Kinder und Jugendliche reagieren dabei möglicherweise stärker auf die Nachrichten von Krieg und Flucht und benötigen mehr Unterstützung als andere.

Diskriminierung und Stigmatisierung entgegenwirken

Es ist davon auszugehen, dass sich die vorhandene Konfliktdynamik zwischen den Ländern Russland und Ukraine auch auf Schülerinnen und Schüler übertragen kann, die sich mit einem dieser Länder aus unterschiedlichen Gründen identifizieren. Auch kann es sein, dass ihnen von anderen Personen Gruppenzugehörigkeiten zugeschrieben werden. Dies kann zu Konflikten unter Schülerinnen und Schülern auf Basis unterschiedlicher Einstellungen und Pauschalisierungen führen. Um solche Zuschreibungen, Stigmatisierungen und Diskriminierungen zu vermeiden, sollten nicht national konstruierte Gruppen wie „Die Russen“ und „Die Ukrainer“ gegenübergestellt werden, sondern „Phänomene“ „Handlungen“ oder „Einstellungen“ angesprochen werden, die dabei konflikthaft sind. Sprechen Sie etwa von den "Menschen aus der Ukraine/aus Russland", den "politischen Entscheidungen Russlands/der Ukraine" oder den "Menschen, die vor dem Krieg fliehen".

In Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern sollte stets überprüft werden, ob es sich tatsächlich um „Intergruppen-Konflikte“ handelt oder ob diese nur so interpretiert und konstruiert werden. Meistens liegen solchen Problemen universelle Bedürfnisse der Heranwachsenden zugrunde, wie z.B. nach Anerkennung, Autonomie und Zugehörigkeit oder auch typische entwicklungsbedingte Identitätsfindungsaufgaben. Alle Heranwachsenden sehen sich permanent mit der Aufgabe konfrontiert, verschiedene Aspekte ihrer eigenen Identität herausfinden, definieren und abgrenzen zu müssen. Sie können Kindern und Jugendlichen dabei helfen, die zugrundeliegenden gemeinsamen Bedürfnisse zu erkennen und einen Konflikt, der gruppenbezogen interpretiert wird, differenzierter zu betrachten.

Ungewöhnliche und destruktive Positionierungen sollten stets ernstgenommen, zunächst nicht gewertet, durchaus aber kritisch und faktenbasiert kommentiert werden. Um Konflikte und Verletzungen zu vermeiden, ist es wichtig, Schülerinnen und Schüler nicht und besonders nicht vor der gesamten Klasse bloß zu stellen. Möglicherweise ist ein Einzelgespräch geeigneter, wenn sich Lehrkräfte Sorgen machen. Da es sich gruppendynamisch betrachtet oft um den Erhalt von Selbstwertgefühl oder um eine jugendliche Oppositionshaltung handeln kann, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich Kinder und Jugendliche in Einzelgesprächen offener gegenüber anderen Perspektiven zeigen können.

Bei Fragen zu und Beobachtung von Radikalisierungstendenzen unterstützt zum Beispiel das Demokratiezentrum des Beratungsnetzwerks HessenÖffnet sich in einem neuen Fenster.

Hilfen zum Umgang mit Stress und Emotionsregulation

Besonders Kinder, die Zeichen einer hohen und langanhaltenden Anspannung zeigen oder stark in negativen Gedanken- und Handlungsmustern gefangen sind, profitieren von körperlichen Aktivitäten und Achtsamkeitsübungen, um sich wieder besser spüren und im Hier und Jetzt erleben zu können. Sie können sie dabei unterstützen, Freude zu erleben und die schwer erträglichen Gefühle zu kompensieren. Dies kann sie psychisch stabilisieren und ihre Resilienz stärken. Auch eine einfache Atemübung, die Sie mit Ihrer Klasse regelmäßig einüben können, kann eine beruhigende Wirkung haben:

  1. 4 sec lang tief durch die Nase einatmen
  2. 4 sec lang Atem einhalten
  3. 4 sec lang durch den Mund ausatmen
  4. 4 sec lang halten, bevor wieder eingeatmet wird

Wenn Kindern Nachrichten Sorgen machen

Schärfen Sie das Bewusstsein dafür, dass in Nachrichten Situationen gezeigt werden, die einen außergewöhnlichen Charakter haben. Wir tendieren dazu, diese negativen Themen selektiv zu fokussieren. Dies wird dadurch verstärkt, dass allgegenwärtig darüber gesprochen wird. Es ist daher wichtig, darüber wieder Kontrolle zu erlangen und auch mit älteren Schülerinnen und Schülern die Quellen der Nachrichten zu prüfen. Sie können Ihren Schülerinnen und Schülern z.B. vermitteln:

  • Nachrichtenpausen einzulegen, ggf. sich zu trauen, anderen ein STOP-Zeichen zu geben: „Ich möchte gerade darüber nichts erfahren.“
  • Selektive Aufmerksamkeit auf Positives zu richten: „Stelle dir deine Aufmerksamkeit als eine Taschenlampe vor. Du hältst die Taschenlampe in einer Hand und entscheidest selbst, welche Situationen und Themen du beleuchten willst.“
  • Geeignete und ausgewählte Nachrichten gemeinsam mit Erwachsenen anzuschauen und darüber zu sprechen.
  • Bei Schlafproblemen, starken Sorgen oder Verhaltensveränderungen professionelle Unterstützung z.B. durch Schulsozialarbeit oder Schulpsychologie einzuholen.
  • Siehe auch: logo!: Wenn euch Nachrichten beunruhigen - ZDFtiviÖffnet sich in einem neuen Fenster

Umgang mit stark belasteten Kindern und Jugendlichen

Im Folgenden gehen wir auf mögliche Reaktionen bei Schülerinnen und Schülern ein, die Extremstress empfinden bzw. (auch subjektiv) Lebensbedrohung erleben. Dies kann Kinder und Jugendliche betreffen, die aktuell aus Krisen- und Kriegsgebieten ankommen, trifft jedoch auf alle Menschen zu, die existenziellen Ängsten ausgesetzt sind und Ohnmacht verspüren. Daher ist das Wissen über Reaktionen auf Extremstress universell bedeutsam und hilft Ihnen im pädagogischen Kontext, Reaktionen von Schülerinnen und Schülern zu verstehen.

Ankommende Kinder und Jugendliche aus der Ukraine

Die ersten flüchtenden ukrainischen Familien suchen bereits in Deutschland Schutz. Bald werden wir die Kinder und Jugendlichen an unseren Schulen willkommen heißen. Sehr wahrscheinlich geht ihre Flucht in unterschiedlicher Form mit psychischen Belastungen und ggf. Gewalterfahrungen einher. Einige von ihnen werden möglicherweise auch akute Belastungsreaktionen entwickeln. Dies ist eine normale Reaktion auf den erlebten Extremstress. Die Verarbeitung erfordert jedoch Zeit. Im Folgenden werden natürliche Reaktionen auf lebensbedrohliche Situationen beschrieben, damit Sie diese als Lehrkraft besser zuordnen können und sich von ihnen nicht verunsichern lassen müssen. Zu solchen Reaktionen gehören insbesondere folgende psychische Phänomene:

Die Aufmerksamkeit der Kinder kann momentan noch auf Gefahren in ihrer Umgebung ausgerichtet sein. Sie können daher angespannt und gereizt wirken, sind möglicherweise leicht ablenkbar, schreckhaft und können sich schwer konzentrieren. Auch kann es vorkommen, dass sie ihre Impulskontrolle nicht mehr gut steuern können und dabei Ihre Unterstützung benötigen. Durch eine ruhige und klare Haltung und die Ausstrahlung der Botschaft, dass sie in Ihrem Klassenraum, Ihrer Schule - im Hier und Jetzt - sicher sind, können Sie das subjektive Sicherheitsgefühl Ihrer Schülerinnen und Schüler stärken.

Viele Bilder und Ereignisse haben sich stark und lebhaft ins Gedächtnis eingeprägt, sodass Geschehnisse, die eigentlich schon der Vergangenheit angehören, auch noch in der Gegenwart und an dem sicheren Ort Ihrer Schule als sehr nah erlebt werden - die Kindern können den Eindruck haben, dass die Lebensgefahr auch noch im Hier und Jetzt trotz gegebener Sicherheit existiert. Dieses Erleben kann sich sowohl darin äußern, dass Ihre Schülerinnen und Schüler die Szenen aus der nahen Vergangenheit nachempfinden, sie nachspielen oder nachzeichnen, aber auch in Gedanken abwesend wirken. Vielleicht wirken sie sehr müde, da sie ggf. nachts nicht schlafen können, weil sie Teile ihrer Erfahrungen in Form von Albträumen wiedererleben.

Unter existenziellem Stress, vor allem dann, wenn wir Ohnmacht erleben, ordnen wir Reize aus der Umgebung, die wir wahrnehmen, als „Lebensgefahr“ ein. Auch wenn die individuelle Gefahr für Ihre Schülerinnen und Schüler bereits vorüber ist, kann jede ähnliche Situation oder jeder ähnliche Reiz (Trigger wie z.B. ein Alarm oder Ohnmachtsgefühle) im Hier und Jetzt subjektiv als bedrohlich wahrgenommen werden und automatische Reaktionen auslösen, die während der tatsächlichen Lebensgefahr aktiviert wurden. Dazu gehören z.B. Flucht- und Kampfreaktionen sowie Erstarrung, die z.B. mit körperlichen und psychischen Reaktionen wie Angstzuständen, Zittern oder Schwitzen einhergehen können. Da diese sehr intensiv und unangenehm sind, ist es zunächst verständlich und sinnvoll, dass Kinder solchen Situationen und Reizen aus dem Weg gehen. Es braucht Zeit, wieder zu erlernen, dass die neue Situation keine Gefahr mehr darstellt.

Unabhängig davon reagieren Kinder und Jugendliche auf Stress oft mit somatischen Symptomen wie Kopf- und Bauchschmerzen, Übelkeit und Störungen im Ess- und Verdauungsverhalten.

Im Normalfall dauern solche Reaktionen Tage bis mehrere Wochen an. Wenn sich jedoch noch Familienangehörige im Heimatland in Lebensgefahr befinden, kann es sein, dass das subjektive Empfinden von Lebensgefahr auch im Hier und Jetzt fortbesteht und die Stressreaktionen noch nicht abschließend verarbeitet werden können. In diesem Fall ist es entlastend, diese Reaktionen als verständlich und sinnvoll anzuerkennen und sie als angemessene Bewältigungsversuche bei der Verarbeitung von Lebensgefahr zu betrachten.

Kinder und Jugendliche, die aus anderen Ländern vor einem Krieg geflüchtet sind

Die aktuellen Nachrichten, Bilder und Szenen, zwischenmenschliche Stimmungen und Gespräche können wiederum zu Erinnerungen auch bei Kindern und Jugendlichen führen, die bereits vor einer längeren Zeit aus anderen Ländern nach Deutschland geflüchtet sind. Bei diesen können ähnliche Stressreaktionen ausgelöst werden, sodass Sie diese Schülerinnen und Schüler ebenfalls im Blick behalten sollten.

Schule als einen sicheren Ort für alle gestalten

Um den Unsicherheits- und Ohnmachtsgefühlen entgegenzuwirken ist es wichtig, die Schule als einen Ort der Sicherheit aufrechtzuerhalten und zu gestalten. Im schulischen Kontext haben Sie die Möglichkeit durch Transparenz, sicherheitsgebende Strukturen und vertraute Rituale dem entgegenzuwirken, was solche bedrohlichen Situationen bewirken kann, wie z.B. Kontrollverlust und Ohnmachtserleben. Durch Verlässlichkeit, Präsenz und eine ausreichend gute Beziehung vor allem dann, wenn Ihre Schülerinnen und Schüler durch Informationen und Geschehnisse aufgewühlt sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie subjektive Sicherheit in ihrem Klassenraum (wieder) empfinden, Selbstwirksamkeit erleben können und ihnen die Welt wieder als kontrollierbar erscheint.

Hilfe und Unterstützung

  • Nummer gegen Kummer: Am Kinder- und Jugendtelefon wird montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 116 111 eine kostenlose telefonische Beratung angeboten; Chat-Beratungmittwochs und donnerstags von 14 bis 18 Uhr. Bei der Mail-Beratung kann man jeden Tag rund um die Uhr schreiben.

 

 

  • Jugendberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V.: www.bke-beratung.de

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